Arbeitgeber dürfen ihren Mitarbeitern eine Inflationsausgleichsprämie gewähren, die bis zu einem Betrag von 3.000 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei bleibt. Voraussetzung ist, dass die Leistung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird. Die Regelung gilt für Zahlungen, die vom 26.10.2022 bis zum 31.12.2024 geleistet werden (§ 3 Nr. 11c EStG). Steuerlich gibt es prinzipiell keine Verpflichtung, die Prämie an alle Arbeitnehmer auszuzahlen. Das heißt, der Arbeitgeber hat es in der Hand, dem einen Arbeitnehmer eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie zu zahlen und dem anderen nicht (BT-Drucksache 20/3987 vom 14.10.2022). Doch die steuerliche Sichtweise gilt nicht für das Arbeitsrecht. So dürfen Arbeitgeber nicht einfach willkürlich bestimmte Arbeitnehmer begünstigen bzw. andere benachteiligen. Sofern nicht alle Arbeitnehmer eine Prämie erhalten oder diese ihrer Höhe nach differenziert gezahlt wird, müssen objektive Gründe für die unterschiedliche Behandlung vorliegen. Ansonsten gilt arbeitsrechtlich der Gleichbehandlungsgrundsatz. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat entschieden, dass ein Tarifvertrag den Inflationsausgleich während der Elternzeit ausschließen darf. Eine entsprechende tarifliche Regelung verstößt nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot (Urteil vom 14.8.2024, 14 SLa 303/24).
Die Klägerin ist bei einem kommunalen Arbeitgeber beschäftigt. Sie befand sich vom 14.6.2022 bis zum 13.4.2024 in Elternzeit. Ab dem 14.12.2023 bis zum Ende der Elternzeit arbeitete sie mit 24 Wochenstunden in Teilzeit (Vollzeit = 39 Wochenstunden). Der auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin anzuwendende Tarifvertrag über Sonderzahlungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise (TV Inflationsausgleich) sah im Juni 2023 einen Inflationsausgleich von einmalig 1.240 Euro und in den Monaten Juli 2023 bis Februar 2024 von monatlich 220 Euro vor. Allerdings sah der Tarifvertrag auch vor, dass für die Gewährung der Prämie an mindestens einem Tag ein Anspruch auf Entgelt bestanden haben muss. Die Kommune zahlte der Klägerin die Prämie nur für die Monate Januar und Februar 2024 in Höhe von 135,38 Euro (24/39 von 220 Euro). Die Klägerin ist der Ansicht, dass dieser Tarifvertrag gegen das arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot verstößt. Eine Herausnahme von Beschäftigten ohne Entgelt(fortzahlungs)bezug laufe dem Zweck der Inflationsausgleichszahlung, einer Entlastung in Bezug auf die gestiegenen Lebenshaltungskosten, zuwider. Berechtigt sind nach dem Tarifvertrag auch Arbeitnehmer, denen ein Krankengeldzuschuss zustand, selbst wenn dieser de facto durch die Sozialversicherungsträger wegen Barleistungen nicht gezahlt wird, sowie Arbeitnehmer, die nur Kinderkrankengeld erhalten. Die Differenzierung zwischen diesen Arbeitnehmern und Arbeitnehmern in Elternzeit sei nicht gerechtfertigt. Doch das LAG hält die Differenzierung für zulässig.
Die tarifliche Regelung verstoße nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot. Sie ist wirksam. Die Tarifvertragsparteien dürfen den Bezug von Entgelt an mindestens einem Tag als Anspruchsvoraussetzung für den Inflationsausgleich festlegen. Weil das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit - ausgenommen die Teilzeittätigkeit - ruht, erfüllte die Klägerin diese Voraussetzung nicht. Sie hatte keinen Entgeltanspruch. Diese Differenzierung sei sachlich gerechtfertigt und stelle keine mittelbare Diskriminierung dar, weil der tarifliche Inflationsausgleich auch einen Vergütungszweck verfolgt. Er sei arbeitsleistungsbezogen ausgestaltet. Fehle es daran völlig, weil nicht an einem Tag ein Entgeltanspruch besteht, bestehe kein Anspruch. Soweit Beschäftigte, die Krankengeld bzw. Kinderkrankengeld beziehen, einen Inflationsausgleich erhalten, erfolge dies aus sozialen Gründen zur Abmilderung besonderer Härten. Für diese durften die Tarifvertragsparteien andere Regelungen vorsehen als für Beschäftigte in Elternzeit. Die Inanspruchnahme einer Elternzeit sei im Regelfall planbar, die eigene oder die Erkrankung des Kindes trete dagegen typischerweise plötzlich und unerwartet auf. Das Gericht hat der Klägerin lediglich aufgrund ihrer Teilzeittätigkeit für den Monat Dezember 2023 einen Inflationsausgleich von 220 Euro zugesprochen. Sie hatte in diesem Monat an einem Tag Anspruch auf Arbeitsentgelt. Für die Höhe der Inflationsausgleichsprämie ist die am ersten Tag des Bezugsmonats vereinbarte Arbeitszeit maßgeblich. Diese war am 1.12.2023 noch fiktiv 100 Prozent (Quelle: LAG Düsseldorf, Pressemitteilung vom 14.8.2024).
Die Entscheidung ist zwar zu einem Tarifvertrag im öffentlichen Dienst ergangen, dürfte aber auch für andere Tarifverträge und für nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer sinngemäß Bedeutung haben. Das LAG hat allerdings die Revision zugelassen. Möglicherweise ist das letzte Wort also noch nicht gesprochen.